Revision IS700: Krefeld macht erste ICE 4 fit

Artikel: Revision IS700: Krefeld macht erste ICE 4 fit

Die Anzahl der ICE 4 wächst stetig und damit auch der Instandhaltungsbedarf des Rückgrats der Fernverkehrsflotte. Bereits jetzt stemmt die DB Fahrzeugin-standhaltung einen erheblichen Teil der Arbeiten an den neuen Triebzügen der Baureihe 412.

Mehr als 115 ICE 4 sind mittlerweile bei der DB im Einsatz – und alle drei Wochen kommt einer neuer dazu. Mit insgesamt 137 Fahrzeugen, die bis 2024 ausgeliefert werden, stellt der ICE 4 das Rückgrat der Fernverkehrsflotte dar und ist damit ein wichtiger Baustein zum „Ausbau Flotte und Werke“ im Kontext der Dachstrategie „Starke Schiene“. Um den Instandhaltungsbedarf zu stemmen, sind bei der DB Fahrzeuginstandhaltung weitreichende Maßnahmen geplant. Die umfangreichste davon ist der Ausbau des Werkes in Cottbus. Bis Anfang 2024 wird dort eine erste neue Instandhaltungshalle speziell für die ICE 4-Triebzüge entstehen. Bis es so weit ist, werden die ICE4-Triebzüge alleinig im Werk Krefeld revisioniert.

Neue Technik – neue Herausforderungen

Die Mitarbeitenden im Werk Krefeld verfügen über einen großen Erfahrungsschatz und führen die umfangreichen Revisionen an allen ICE-Baureihen routiniert durch. Sie haben sich bereits im Vorfeld intensiv mit der neuen Baureihe 412 und deren technologischen Innovationen beschäftigt, um optimal vorbereitet ans Werk zu gehen. Dennoch stellen die langen 12- und 13-teiligen ICE 4-Triebzüge eine besondere Herausforderung für die Infrastruktur des Werks dar: Um an den 346 Meter langen Triebzügen auf lediglich 170 Meter langen Bearbeitungsgleisen arbeiten zu können, wurde ein spezielles Instandhaltungskonzept für die Baureihe entwickelt. So wird der 12-teilige ICE 4 in drei Wagenparks à vier Einzelwagen abgearbeitet. Mit Hilfe eines ausgeklügelten Ablaufplans wird der Zug so an mehreren Bearbeitungsgleisen parallel und in gehobenen oder gesenktem Wagenzustand bearbeitet.

Volles Programm für die neue Flotte

Die „IS700“ ist die umfangreichste Instandhaltungsstufe. Auf dem Programm steht der planmäßige Tausch wesentlicher Großkomponenten wie Drehgestelle, Kupplungen, Bugnase, Luftversorgungsanlagen, Bremskomponenten, Toilettenmodule und Führerraumklimaanlagen. Laut Herstellervorgaben erfolgen ebenso umfangreiche Wartungsarbeiten an Innentüren, Galley-Komponenten und Sicherheitseinrichtungen. Außerdem erfolgt der Tausch von Verschleißteilen wie Relais, Schaltschützen und Lüftermodulen an Fahrgastraumklimasystemen sowie Arbeiten an der Traktions- und Hochspannungsausrüstung. Kurzum: der ICE 4 erfährt eine breit gefächerte Komplettinspektion und Generalüberholung, so dass er anschließend wieder zuverlässig für den Fahrgastverkehr zur Verfügung steht.

Immer für eine Überraschung gut

Die in diesem Jahr „IS700-fälligen“ Fahrzeuge sind die ersten aus der ICE 4-Baureihe. Mit sieben Vorserienzügen wurden die erforderlichen Test- und Zulassungsfahrten seitens des Herstellers sowie ein einjähriger Probebetrieb vor dem panmäßigen Einsatz des ICE 4 durchgeführt. Diese Vorserienzüge halten die eine oder andere technische Besonderheit bereit, die nicht immer vollumfänglich in der Instandhaltungs- und Ersatzteildokumentation dargestellt wird, sondern erst im Zuge der Arbeiten am Fahrzeug zu Tage tritt. So wurden die Mitarbeitenden in Krefeld während der Bearbeitung beispielweise mit nicht kompatiblen Einbauorten oder zusätzlich erforderlichen Umbaumaßnahmen konfrontiert.

Neben den schon äußerst umfangreichen Planarbeiten überraschen die Fahrzeuge nach einer Laufleistung von ca. 3 Millionen Kilometern zudem mit ungeplanten Befunden, das heißt außerplanmäßig anfallenden Arbeiten wie dem Entfernen von Graffiti-Schäden und Korrosionsspuren.

Auf Herz und Nieren geprüft

Sind alle planmäßigen und außerplanmäßigen Arbeiten abgeschlossen, erfolgt der finale Funktionscheck in Form der Wiederinbetriebnahme bzw. Inbetriebsetzung (IBS) des Fahrzeugs.

Im ersten Schritt wird jeder Einzelwagen auf Herz und Nieren geprüft, bevor er die Bearbeitungshalle verlassen darf. Gemeinsam mit Expert:innen des Herstellers Siemens wurden die relevanten Prüfumfänge definiert und ein Testsystem namens „Vehicle Test Unit“ (VTU) serienmäßig eingesetzt. Dieses System ermöglicht es, direkt am Bearbeitungsgleis die Wagenfunktionen wie Innenraumbeleuchtung, Reservierungsanzeigen, Außentüren sowie Klimaanlagen-, Lüfter- und Bremsfunktionen zu prüfen.

Im zweiten Schritt werden die geprüften Einzelwagen zu zwei sechsteiligen Halbzügen zusammengestellt. Diese werden anschließend auf den benachbarten IBS-Gleisen mittels eines komplexen, neu entwickelten Verbindungssystems, dem „Diagonalkabel“, zu einem Ganzzug verbunden. Das innovative Verbindungssystem ermöglicht nicht nur die Zug-IBS eines 346 Meter langen, 12-teiligen ICE 4 auf den 200 Meter IBS-Gleislänge, sondern bietet zudem ganz neue Automatisierungsansätze durch die vielfältigen Schnittstellen.

Erfolgreiches Konzept mit nachhaltigem Beitrag

Durch den hohen Bedarf an Tauschkomponenten bei einer Fahrzeugrevision spielt auch die Aufarbeitung dieser Komponenten eine wesentliche Rolle. Als führende Expertin bei der Komponentenaufarbeitung trägt die DB Fahrzeuginstandhaltung einen entscheidenden Beitrag zur Nachhaltigkeit der Schienenfahrzeuginstandhaltung und zur Bewältigung des rasanten Verkehrswachstums bei. Ziel ist auch bei der Revision des ICE 4, so viele Komponenten wie möglich der technischen Aufarbeitung zuzuführen. Unter der Führung des „Crossfunktionalen Teams ICE 4“ sind sämtliche Ersatzteile mit den Fachexpert:innen des Produktmanagement unter die Lupe genommen worden. Radsätze, Drehgestelle, Kupplungen, Bremskomponenten, Luftversorgungsteile, Klimageräte und Elektronik werden deutschlandweit in den jeweiligen Werken aufgearbeitet und anschließend wiederverwendet.

Erste Erfolge motivieren die Mitarbeitenden aus Krefeld noch weiter: Bei der ersten „IS700“-Revision in diesem Jahr konnten sie die geplante Revisionszeit unterbieten. Der Triebzug hat vorzeitig das Werk verlassen und stand dem Fahrgastverkehr damit schneller wieder zur Verfügung. Und der nächste ICE 4 befindet sich bereits in Arbeit – getreu dem Motto: „Nach dem Zug ist vor dem Zug.“